Einem geliebten Menschen in Not helfen

ELDER RICHARD G. SCOTT

von der Präsidentschaft der Siebziger

Ostern ist die heilige Zeit, in der jeder gläubige Christ demütig und dankbar an unseren geliebten Erretter denkt. Es ist eine Zeit, die allen Menschen Frieden und Freude bringen soll. Vielen ist jedoch das Herz schwer, weil ein Sohn oder eine Tochter, ein Ehemann oder eine Ehefrau, sich von Rechtschaffenheit abgewandt und dem Bösen zugewandt hat. Meine Botschaft ist für Sie.

Ihr Leben ist mit Kummer, Schmerz und manchmal mit Verzweiflung erfüllt. Ich sage Ihnen, wie Sie vom Herrn getröstet werden können.

Zuerst müssen Sie zwei grundlegende Prinzipien erkennen:

Auf der einen Seite gibt es vieles, was Sie tun können, um einem geliebten Menschen in Not zu helfen, aber es gibt auch einiges, was nur der Herr tun kann.

Eine dauerhafte Besserung ist auch nur dann möglich, wenn jemand seine Entscheidungsfreiheit in rechtschaffener Weise ausübt. Versuchen Sie nicht, sich über die Entscheidungsfreiheit anderer hinwegzusetzen. Das würde selbst der Herr nicht tun. Erzwungener Gehorsam bringt keinen Segen (siehe LuB 58:26‑33).

Ich will nun sieben Möglichkeiten vorschlagen, wie Sie helfen können.

Erstens – Lieben Sie ohne Vorbehalt. Als Lehi in einem Traum von der Frucht des Baumes des Lebens aß und mit Freude erfüllt wurde, war sein erster Gedanke, alle seine Angehörigen, auch die ungehorsamen, daran teilhaben zu lassen (siehe 1 Nephi 8:3,4,12,13).

Zweitens – Dulden Sie die Übertretungen nicht stillschweigend, aber helfen Sie dem Übertreter und setzen Sie Ihre Hoffnung auf ihn. Alma sagte zu seinem Sohn Korianton, der Missionar war und das Gesetz der Keuschheit gebrochen hatte: „Siehe, o mein Sohn, was für großes Übeltun du über die Zoramiten gebracht hast; denn als sie dein Verhalten sahen, wollten sie nicht an meine Worte glauben.“ (Alma 39:11.) Dann verdeutlichte er sorgfältig und genau Grundsätze, die sein Sohn missbraucht hatte, um seine Taten zu rechtfertigen. Anschließend gab er ihm als liebevoller Vater den Rat:

„O mein Sohn, ich wünsche, du würdest die Gerechtigkeit Gottes nicht länger leugnen. Unterfange dich nicht, dich deiner Sünden wegen im Geringsten zu entschuldigen, indem du die Gerechtigkeit Gottes leugnest; sondern lass du die Gerechtigkeit Gottes und seine Barmherzigkeit und seine Langmut vollen Einfluss auf dein Herz haben; und lass dich davon in Demut hinabführen bis in den Staub. …

Und nun, mein Sohn, gehe deines Weges, verkünde das Wort mit Wahrheit und Ernsthaftigkeit.“ (Alma 42:30,31.) Korianton kehrte um und wurde zu einem mächtigen Diener.

Drittens – Lehren Sie die Wahrheit. Nephi sagte zu seinen Brüdern: „Wer auf das Wort Gottes höre und daran festhalte, der werde niemals zugrunde gehen; auch könnten die Versuchungen und die feurigen Pfeile des Widersachers sie nicht mit Blindheit schlagen, um sie weg ins Verderben zu führen.“ (1 Nephi 15:24.)

Dann zeigte er uns anhand des folgenden Beispiels, wie wir lehren sollen: „Ich, Nephi, [ermahnte] sie, dem Wort des Herrn Beachtung zu schenken; ja, ich ermahnte sie mit allen Kräften meiner Seele und mit aller Fähigkeit, die ich besaß, dem Wort Gottes Beachtung zu schenken und darauf bedacht zu sein, seine Gebote jederzeit in allem zu halten.“ (1 Nephi 15:25.)

Viertens – Vergeben Sie aufrichtig, sooft es erforderlich ist. Der Herr hat gesagt: „Wenn er … in der Aufrichtigkeit seines Herzens umkehrt, sollt ihr ihm vergeben, und ich werde ihm auch vergeben. …

Ja, und sooft mein Volk umkehrt, werde ich ihnen ihre Verfehlungen gegen mich vergeben.“ (Mosia 26:29,30.)

Fünftens – Beten Sie voller Vertrauen. „Viel vermag das inständige Gebet eines Gerechten.“ (Jakobus 5:16.)

Der Herr hat verheißen: „Alles, was ihr den Vater in meinem Namen bittet, sofern es recht ist und ihr glaubt, dass ihr empfangen werdet, siehe, das wird euch gegeben werden.“ (3 Nephi 18:20.) „Bete immer, dann werde ich meinen Geist über dich ausgießen, und groß wird deine Segnung sein.“ (LuB 19:38.)

Sechstens – Bewahren Sie den richtigen Blickwinkel. Wenn Sie alles getan haben, was Ihnen möglich ist, überlassen Sie die Sache dem Herrn.

Wenn ich ein kleines Steinchen nehme und es mir unmittelbar vor das Auge halte, wirkt es wie ein großer Felsbrocken. Ich sehe nur das Steinchen und sonst nichts. Das gleiche kann geschehen, wenn jemand, den man liebt, in Schwierigkeiten steckt und man damit tagaus, tagein konfrontiert ist. Wenn man alles getan hat, was realistisch ist, sollte man die Sache dem Herrn überlassen und sich darüber keine Sorgen mehr machen. Man darf sich nicht schuldig fühlen, weil man nicht mehr schafft. Mit fruchtlosen Sorgen sollte man keine Energie vergeuden. Der Herr nimmt den kleinen Stein, der einem den Blick verstellt, und wirft ihn zu den übrigen Schwierigkeiten, die man auf dem Weg des ewigen Fortschritts überwinden muss. Dann betrachtet man ihn mit der richtigen Verhältnismäßigkeit. Mit der Zeit kommen neue Eingebungen, und dann wird man auch wissen, wie man weiter helfen kann. So findet man mehr Frieden, ist glücklicher, vernachlässigt nicht andere Menschen, die einen ebenfalls brauchen, und kann schließlich wirksamer helfen, weil man eine ewige Perspektive hat.

Abraham bemühte sich. um seinen Vater, damit dieser von seinen Übertretungen loskäme. Trotz aller Bemühungen wandte sich sein Vater dem Götzendienst zu. Hätte Abraham zugelassen, dass diese angemessene Sorge für seinen Vater sein ganzes Denken beherrscht, hätte er nicht diese Verheißung erhalten können: „In deinen Nachkommen werden alle Geschlechter der Erde gesegnet sein.“ (3 Nephi 20:25.)

Manche, die selbst schwere Sünden überwunden haben, machen sich Vorwürfe wegen ihres früheren Ungehorsams, wenn ein Angehöriger sich nicht so verhält, wie er soll. Solche Gefühle kommen vom Satan, nicht vom Herrn. Alma konnte seinem Sohn Korianton aus einer Position der Stärke heraus helfen, weil er wusste, dass ihm seine eigenen Sünden aufgrund seiner Umkehr vollständig vergeben worden waren.

Dies ist keine Abhandlung über die Lehre. Es ist vielmehr mein Zeugnis, von dem, was ich als wahr erkannt habe. Meine Frau Jeanene und ich haben gemeinsam manches erlebt, was zu schwer erschien, um es allein ertragen zu können. Einmal verlor sie ein Baby, ein kleines Mädchen, und wäre dabei fast selbst gestorben. Sechs Wochen danach wurde ein anderer geliebter Sohn heimgeholt. Wir flehten um Hilfe und wir bekamen sie auch.

Wenn andere Probleme uns dazu gebracht haben, uns hinzuknien, waren wir zuversichtlich, dass wir Trost und Führung empfangen würden, und es war auch immer so. Der Herr öffnet uns immer eine Tür und gibt uns die Kraft, die wir in schwierigen Zeiten brauchen.

Wenn wir nun an diesem Osterfest an die Auferstehung denken, an den Preis, der gezahlt wurde, und an die Gabe, die uns durch das Sühnopfer geschenkt wurde, dann wollen wir auch darüber nachdenken, was in den heiligen Schriften über diese heiligen Ereignisse berichtet wird. Unser Zeugnis davon, dass dies wirklich stattgefunden hat, wird stärker werden. Es muss für uns mehr sein, als ein Grundsatz, den wir uns einprägen. Es muss uns in Fleisch und Blut übergehen, damit es uns in Zeiten der Bedrängnis als Bollwerk dient.

Nephi sagte: „Denn ihr seid nur durch das Wort von Christus, mit unerschütterlichem Glauben an ihn so weit gekommen und habt euch ganz auf die Verdienste dessen verlassen, der mächtig ist zu erretten.

Darum müsst ihr mit Beständigkeit in Christus vorwärtsstreben, erfüllt vom vollkommenen Glanz der Hoffnung und von Liebe zu Gott und zu allen Menschen. Wenn ihr darum vorwärtsstrebt und euch am Wort von Christus weidet und bis ans Ende ausharrt, siehe, so spricht der Vater: Ihr werdet ewiges Leben haben.“ (2 Nephi 31:19,20.)

Er hätte auch gut hinzufügen können: „Und ihr werdet Frieden und Glück in diesem Leben haben.“ Wir sind glücklich, wenn wir die Lehren des Herrn verstehen und danach leben. Seien wir mit uns selbst nicht zu kritisch, weil wir nicht alles schaffen, was wir gern erreichen würden.

Eine letzte Anregung: Geben Sie nie einen geliebten Menschen auf – niemals! Ich weiß, dass wir einen liebevollen Vater im Himmel haben. Er fordert uns auf, ihn zu verehren, damit wir seine Liebe spüren können. Er bittet uns von Herzen, seinen Sohn zu lieben, damit wir getröstet und gestärkt werden können.

Manchmal zählen wir törichterweise mechanisch Fakten über den Vater im Himmel und seinen Sohn auf und – vergib uns bitte – predigen ihnen, spielen uns vor ihnen auf und beweisen damit unsere Unkenntnis und unseren Stolz. Doch lieben sie uns auch weiterhin auf vollkommene Weise, jeden einzelnen von uns. Ja, sie sind allmächtig und allwissend. Ihre Werke sind ewig, und dennoch lieben sie uns ganz persönlich, voller Verständnis, bedingungslos, endlos und vollkommen.

Ich weiß, dass sie leben. Ich weiß, dass Jesus der Messias ist, unser Erretter und Erlöser. Ich liebe ihn von ganzem Herzen. Er hat sein Leben gegeben, damit wir Fehler überwinden und ewig leben können. Ich weiß nicht, wie er das gemacht hat. Unvollkommen, wie ich bin, versuche ich mir die unvorstellbare Last vorzustellen, die in den letzten Stunden seines geistlichen Dienstes auf Erden auf ihm gelastet haben muss, wissend, dass sein Leben völlig frei von Sünde und ohne Irrtum sein musste. Er musste das vollkommene Sühnopfer für die gesamte Menschheit vollbringen, für jeden einzelnen, ohne Ausnahme, sonst hätte keine einzige Seele jemals in die Gegenwart Gottes zurückkehren können. Das hat er zustande gebracht, in vollkommener Weise. Weder er noch sein Vater werden uns jemals im Stich lassen – niemals bis in alle Ewigkeit. Dieses Zeugnis gebe ich im Namen Jesu Christi. Amen.

 
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